Zwei Staatssprachen in Belarus/Weißrussland

Die Sprachenfrage in Belarus – das ist ein weites und kontroverses Feld. Unlängst äußerte sich der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, Nikolaj Čerginec, dazu und forderte, Belarussisch/weißrussisch stärker zu fördern. Um Belarussisch zu mehr Verbreitung zu verhelfen, sollen beispielsweise Sprachkurse in Institutionen und Firmen angeboten werden, so Čerginec. Schon jetzt seien auf Vorschlag des Verbandes alle Straßen- und Stadtnamen auf Belarussisch angegeben. Eine Tatsache, die übrigens nicht selten zu Verwirrung bei Ausländern und Touristen führt, da sämtliches Kartenmaterial bisher nur auf Russisch vorliegt und sich die Schreibweise bisweilen stark unterscheidet. Die Internetseite des Verbandes ist übrigens ebenfalls auf Russisch verfasst und Čerginec selbst beantwortete die (auch Belarussisch gestellten) Fragen auf der Pressekonferenz ausschließlich auf Russisch.

Auch der Kulturminister nahm sich des Themas an. Er verwies darauf, dass die Förderung der Verbreitung der Belarussischen Sprache zwar Teil des Regierungsprogramms der Jahre 2011-2015 sei, die dort formulierten Ziele bisher aber nicht erreicht worden seien. 2012 könne nun das „Jahr des Buches“ und die Jubiläen von Jakub Kolas und Janka Kupala genutzt werden, insbesondere bei „nationalen“ Einrichtungen die Belarussische Sprache stärker einzusetzen.

Seit 2009 steht die Belarussische Sprache auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Sprachen der UNESCO . Über die reale Verbreitung der Sprache im Land gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während in Minsk überwiegend russisch gesprochen wird, ist Belarussisch auf dem Land und im Westteil des Landes stärker verbreitet. Oft handelt es sich hier aber auch um eine Mischsprache, in der sich sowohl russische, polnische, ukrainische und regionale Besonderheiten verbinden. Obwohl die Sprache offiziell nicht gefördert wird, ist sie in einigen Abteilungen von Ministerien und staatlichen Einrichtungen (z.B. Institut für Belarussische Kultur, Nationales Historisches Museum) durchaus als Arbeitssprache üblich.

Zur Geschichte der Sprachenfrage siehe auch:

Hermann Bieder: Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. von Dietrich Beyrau und Rainer Lindner, Göttingen 2001, S. 451-471.