Artikel-Schlagworte: „Kulturpolitik“

„Museen als Bildungsorte des 21. Jh.“ – Eine Handreichung

Eine meiner letzten Amtshandlungen in Belarus war die Fertigstellung der Handreichung, die die Materialien der Museumsseminare im Goethte-Institut 2012 zusammenfasst. Zusammen mit Alla Stashkevich, Insitut für die Kultur von Belarus und Vorsitzende von ICOM Belarus, haben wir die Unterlagen aller Referenten mit Einleitungstexten, Glossarien zu den einzelnen Themen sowie einer Bibliographie versehen. Nun endlich ist unser Werk auf russisch (als gedrucktes Handbuch) und auf deutsch (als beigefügte CD) erschienen. Beide sprachlichen Versionen sollten demnächst zum Download auf den Websites des Goethe-Instituts und des Instituts für die Kultur Belarus’ bereitstehen. Zudem können sie in der Literaturliste von Tradicia als PDF sowie hier die deutsche und die russische Version heruntergeladen werden. Und schließlich ist in den Mitteilungen 35 (2013) von ICOM Deutschland ein Abschlussbericht zu dem Projekt erschienen.

Damit kommt eines meiner umfangreichsten Projekte in Belarus zum Abschluss, gerade noch rechtzeitig vor unserer Ausreise. Ich freue mich sehr, dass ich auf diese Weise ein sichtbares und greifbares Resultat meiner Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, ICOM Belarus, den belarussischen Museen und den deutschen Partnern hinterlassen kann. Möge es sich verbreiten und zu neuen Projekten und Kooperationen führen.

Dass die Reise nach Minsk und der Austausch mit den belarussischen Museumskollegen auch für die deutschen Kollegen ein inspirierendes Erlebnis war, belegen die Blogeinträge von Katrin Hieke und Jörn Brunotte. Möge auch das zur weiteren Vernetzung beitragen!

Schweden und Frankreich pflegen Beziehungen zu belarussischen Museen

Frankreich plant ein Trainung für belarussische Museumsmitarbeiter (BelaPan 14.6.2013). Hinter dieser Initiative, führende Museumsangestellte zur Fortbildung in französische Museen einzuladen, steckt, wen wundert’s, der belarussische Botschafter in Paris und ehemalige Kulturminister seines Landes, Pavel Latushko. Ob es zu zu dieser Maßnahme kommt, die auf höchster politischer Ebene besprochen wurde, steht freilich in den Sternen. Auch bleibt abzuwarten, was die belarussischen Museen letztlich wirklich davon haben und welche Anregungen sich im Museumsalltag abbilden werden.

Deutlich konkreter ist die belarussisch-schwedische Zusammenarbeit in diesem Bereich. Schon lange gibt es hier intensive Beziehungen, die dem Engagement der belarussischen ICOM-Vorsitzenden, Alla Stashkevich zu verdanken sind. Einzelne Projekte werden finanziell unterstützt und es finden Seminare statt. So z.B. im Frühjahr ein Seminar zur Sammlungsinventarisierung, zu dem schwedische Museumsvertreter nach Minsk kamen, und im Juli ein Seminar in Schweden, bei dem Vertreter belarussischer Museen sich vor Ort über die Tätigkeit der Kollegen informieren konnten. Der Ausbau der Kooperation ist geplant.

Denkmal für Kalinowski in Minsk?

Foto: http://virtual.brest.by/news19568.php

An ihm scheiden sich die Geister der nationalen Erinnerung, es geht schon los mit der Schreibweise. Kastus Kalinouski oder Konstantin Kalinowski … Gemeint ist der polnische Adlige und führende Kopf der belarussischen Nationalbewegung im 19. Jh. 1863/64 war er der Anführer des Aufstandes im Gebiet des früheren Großfürstentums Litauen gegen die Russen.

Und da fangen auch schon die Probleme an. Die einen wollen ihm ein Denkmal für die belarussische Identität setzen, die anderen wollen dies aus eben diesem Grund nicht. Nun hat die (oppostionelle) Jugendorganisation Alternatyva 2.000 Unterschriften für ein solches Denkmal gesammelt (BelaPan 15.4.2013). Die Aktion läuft noch bis zum Sommer und die Initiaroren gehen von einer gropßen Zustimmung aus. Beteilitgt haben sich auch Persönlichkeiten wie Uladzimir Padhol, Uladzimir Arlow, Nina Bahinskaya, Syarhey Sys, Anastasiya Dashkevich (Palazhanka), and Andrey Dzmitryyew.

Die Petition soll sodann dem zustänidgen Behörden, darunter das Minsker Exekutivkomitee und das Kulturministerium, übergeben werden. Auf eine Absage aufgrund fehlenden Geldes ist Alternatyva vorbereitet und selbst bereit, eine Sponsorenkampagne zu starten. Doch auch wenn der Antrag vollstänidg abgelehnt werden sollte, so ein Sprecher von Alternatyva, ist die Kampagne schon deshalb sinnvoll, weil viele Menschen davon erfahren. Vor Jahren war eine ähnliche Initiative gescheitert, die eine Straße in Minsk nach Vassilij Bykov benennen sollte. Dies wurde abgelehnt, hat aber viele Einwohner von Minsk überhaupt dazu gebracht, über die Frage nachzudenken, waum die Behörden das verweigert haben.

Kulturstatistik

Statistik: MINSK WHERE 8/2012, S. 22.

Laut einer Übersicht des Stadtmagazins WHERE MINSK (9/2012) gehen die Minsker am liebsten ins Kino. Direkt danach folgt schon das Museum, das Theater steht an dritter, Konzerte an vierter Stelle. Mit ihrer Vorliebe für die Lichtspiele überbieten die Belarussen demnach die Russen um das dreifache, die Ukrainer um das vierfache.

127 Vorführungen bieten die 15 Minsker Kinos durchschnittlich am Tag, jeder 12. sah darin den Film „Fluch der Karibik – Auf zu neuen Ufern“ und das, obwohl sich die Zahl der Sitzplätze seit 2005 (18.000) bis 2011 halbiert hat (9.000). Die Zahl der Besucher ist aber im selben Zeitraum von 3.200.000 auf 5.000.000 gestiegen.

Zu den Museen: 1.200.000 Menschen haben 2011 die Minsker Museen besucht (insgesamt 17, davon drei historische, vier kunsthistorische sowie „andere“). Das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges hatte 700 Besucher pro Tag zu verzeichnen, das Nationale Kunstmuseum 584 und das Nationale Historische Museum 555 pro Tag. Wenig Besucher hatten (erstaunlicherweise!) das Azgur-Museum mit 10.300 Besuchern im Jahr, das Medizinhistorische Museum mit 4.500 und das Sportmuseum mit 6.200 Besuchern im Jahr. Die reichste Sammlung hat das Nationale Historische Museum (284.300 Objekte), die kleinste das Museum für zeitgenössische Kunst (2.709 Objekte).

Unter den Theatern ist das Opern- und Balletttheater das weitaus beliebteste (238.000 Besucher 2011), gefolgt vom Musiktheater (198.000) und dem Gorkij-Theater (105.000). Jede siebte Vorstellung ist eine Premiere, insgesamt wurden 2011 940 Aufführungen gezeigt, 139 von ihnen waren neu.

Der heimliche Favorit ist schließlich der Zirkus: Hier wurden 2011 386.000 Eintrittskarten verkauft, oft lange im voraus.

Das sowjetische Minsk

Foto: http://www.spiegel.de/fotostrecke/widerstand-in-weissrussland-schule-im-untergrund-fotostrecke-92495.html

Im November 2012 veröffentlichte das Stadtmagazin WHERE MINSK eine Übersicht über die noch heute nach kommunistischen Führern oder entsprechenden historischen Ereignissen benannten Orte in Minsk. Demnach gibt es noch ganze 16 Lenindenkmale in Minsk, 40 Straßen sind nach Lenin, Marx, der Pariser Kommune und anderen kommunistischen Helden(-taten) benannt, 3 Firmen bzw. Geschäfte führen die Namen „Kommintern“, „Kommunarka“ und „Roter Lebensmittelverkäufer“ [sic!], 4 Durchhalteparolen an der Metro Oktrjabrskaja sind noch immer in Stein gemeißelt zu bewundern und 4 Zeitungen heißen „Roter Oktober“, „Oktoberweg“, „Licht des Oktober“ und „Flagge des Oktober“. Straßen mit religiösen Namen und Bezeichnungen gibt es dagegen keine einzige, nachdem die „Lutherstraße“ 1966 umbenannt wurde.

Auch wenn viele Betrachter von außen diese Seite der Vergangenheit deutlich in Politik und Gesellschaft auszumachen meinen, so spielt sie für die belarussischen Marketing- und Tourismusexperten keine Rolle. Für die Marke Minsk, über die sich derzeit alle hier den Kopf zerbrechen, gelten andere Bezugspunkte. Beauftragt mit der Markenbildung wurde ausgerechnet eine britische Firma, die bereits Ergebnisse vorgelegt hat. Folgt man dem Reiseführer Lonely Planet, so hätte man durchaus auch den Kommunismus zur Markenbildung heranziehen können: Seine Autoren bezeichnen die Stadt als „Kommunismus mit Cappuchinogeschmack“, wie MINSK WHERE treffend zitiert.

Zeitschrift ARCHE wieder zugelassen

Laut einer Meldung von BelaPan (24. Mai) wurde die Neuregistrierung der einzigen unabhänigen, auf belarussisch erscheinenden historischen Zeitschrift durch das Kulturministerium akzeptiert. Die Zeitschrift war im letzten Jahr verboten. Damit gab das Ministerium dem vierten Antrag der Herausgeber seit November 2012 auf Genehmigung statt.

Im September 2012 wurde der Herausgeber Bulgakov in Grodno bei einer Buchpräsentation verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, das Buch „Die Sowjetifizierung von Westbelarus“ illegal verkauft zu haben. Anschließend wurde das Bankkonto von ARCHE eingefroren. Der Fernsehsender Belarus 1 beschuldigte die Herausgeber des Extremismus und der Nazi-Propaganda. Daraufhin floh Bulgakov ins Ausland. Nun ist er seit einiger Zeit wieder in Minsk. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen, das Bankkonto wieder freigegeben.

Kulturelles Erbe in Belarus

Um 104 Ergänzungen wird die Liste des “historischen und kulturellen Erbes” in diesem Jahr erweitert (BelaPan 16.4.2013), so das Kulturministerium vor Kurzem. Aufgenommen werden 89 materielle und 15 immaterielle Kulturgüter, datunter eine Unierten-Kirche in Velikaja Svarotova bei Baranavich, ein Gedenkkreuz und eine Kapelle am Ort der Kämpfe mit den Russen 1863 im Ivacevich Gebiet, das Haus des Dichters Maksim Tank in der Minsker Region u.v.m.

Die gesamte Liste umfasst derzeit 5.532 Einträge, die in diesem Jahr mit 103,3 Billionen Rubeln ( das entspricht etwa 11,9 Millionen Dollar) unterstützt werden.

Direktor des Museums Großer Vaterländischer Krieg entlassen

Sergej Azaronok und ich im letzten Jahr, als er mir stolz eine aus Moskau geschenkte Fahne (Moulage) vorführte.

Laut einer Meldung vom 10. Mai ist der Direktor des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Sergej Azaronok, am Vortag des 8. Mai entlassen worden (BelaPan). Ein Mitarbeiter des Museums berichtet, dass Azarokok dies seinen Mitarbeitern mitgeteilt habe. Eine weitere Bestätigung gibt es noch nicht.

Als Gründe werden Verzögerungen beim Neubau und der Räumung des alten Gebäudes vermutet, was nicht verwundert. An beidem hat Azaronok nur bedingt seinen Anteil. Der Neubau wird immer wieder von baulicher Seite verzögert, so dass an einen Einzug mit Museumsobjekten gar nicht zu denken ist. Das alte Gebäude am Oktoberplatz wiederum konnte bisher nicht geräumt werden, da dem Museums das immer wieder versprochene Zwischenlager niemals zur Verfügung gestellt wurde.

Laut ursprünglichem Plan sollte der Neubau im Mai diesen Jahres fertig sein, die Eröffnung des Museums ist für den 3.7. 2014 geplant. Bereits zum 9. Mai in diesem Jahr sollten allerdings ein bis zwei Säle fertig fertig sein, was angesichts des Baufortschritts schlicht nicht realistisch war. Am alten Platz des Museums soll ein multifunktionales Gebäude, darunter eines der vielen neuen 5-Sterne-Hotels für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014.

Die Objekte sollten schon im letzten Jahr aus dem Gebäude zwichengelagert werden. Abgesehen von der Tatsache, dass immer unklar war, wohin, hat die interne Organisation des Umzugs und der Neukonzeption einen reibungslosen Ablauf allerdings auch nicht begünstigt. Hinzu kommt, dass Azaronok während der Planungsprozesse langjährige und kompetente Mitarbeiter sowie einen weiteren, für die Organistion und Planung zuständigen Manager entlassen hat. Dies waren aus meiner Sicht nur zwei Fehlentscheidungen unter mehreren, kombiniert mit einer, wie es schien, ständigen Überforderung mit dem Projektmanagement.

Trotzdem ist diese Entscheidung sehr zu bedauern, nicht nur für Azaronok persönlich, der sich trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen mit ganzer Kraft für das Museum eingesetzt hat, sondern auch weil es schwer sein wird, ein Jahr vor der Eröffnung und unter diesem Druck einen neuen und vor allem fähigen Direktor zu finden, der es schafft, das Museum, von dem der Präsident jüngst noch verkündet hat, es werde das „beste in der Welt“ sein, rechtzeitig zu eröffnen. Zudem haben einige Mitarbeiter des Museums angekündigt, das Museum zusammnen mit dem Direktor zu verlassen.

Denkmäler für Minsk und Belarus

Neulich hat mich mein Kollege Vjacheslav Bondarenko mal wieder in eine seiner TV-Sendungen bei ONT „Offenes Format“ eingeladen. Es ging um Denkmäler. Mit gutem Willen kann man meine Kompetenz zu diesem Thema aus meinen kulturellen Interessen ableiten, mehr aber auch nicht. Und richtig: Vjacheslav bat mich ganz offen, an der Sendung teilzunehmen, um den belarussischen Gesprächspartnern zu demonstrieren, was eigentlich eine Talk-Show sei. Niemand begreife, dass es um einen schnellen und offensiven Meinungsaustausch handle, und nicht um eine gesittete Selbstdarstellung mit vorher abgesprochenen Texten. Auch dafür fühle ich mich eigentlich nicht kompetent, und schon gar nicht auf russisch, aber bitte, man hilft ja gerne. Kurz vorher wurde mir dann doch sehr mulmig, aber die erstaunlich vielen Rückmeldungen von Bekannten und Kollegen lassen vermuten, dass ich meine Aufgabe gemeistert habe. Apropos: Man wundert sich, wer diese Sendung alles guckt, angefangen von unserer Dezhurnaja über einige Nachbarn zu Hause bis hin zu meinen Kollegen aus der Uni.

Es sollte also um Denkmäler gehen – ganz allgemein: Für wen oder was werden sie aufgestellt? Wer hat die Initiative? Wer entscheidet darüber? Und wer bezahlt dafür? Letztlich ging es aber um den immer währenden belarussischen Diskurs: Woran wollen wir eigentlich erinnern? Hierzu gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen bei meinen Gesprächspartnern, dem stellvertretenden Kulturminister, einem Bildhauer und dem Vertreter der russisch-freundlichen Organisation „Westbelarus“. Dieses Thema wiederum liegt mir viel näher und so habe ich mich so gut es eben ging engagiert und für eine offene und kontroverse Diskussion geworben.

Mir persönlich hat der Standpunkt von Michail Volodin gut gefallen, der seine kritischen Anmerkungen zum Denkmalswesen in Belarus im Studio vorgetragen hat mit der Kernthese, dass es so lange problematisch bleibt, wie allein der Staat darüber entscheidet. Ein sympathischer Standpunkt, der die ursprünglich gplanten Fragen zur Diskussion in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Planungen für Malyj Trostenec

Foto: http://www.my-minsk.ru/novosti-respubliki/7579-trostenec-kakim-budet-memorial-i-kak-belorusam-ne.html

Gleich im Anschluss an die Konferenz zu Chatyn fand am 23.3.2013 eine weitere „wissenschaftlich-praktische Konferenz“ in der IBB Minsk statt. Veranstaltet wurde sie von der IBB selbst sowie der Geschichtswerkstatt aus Anlass ihres 10-jährigen Bestehens. Thema waren die aktuellen Planungen für einen Gedenkort in Trostenec.

Kurz zur Erinnerung: Es handelt sich um das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Die Angaben zu den Opfern schwanken in deutschen und belarussischen Publikationen zwischen 50.000 und 206.500. Insgesamt geht es um drei historische Orte: Schaschkowa, wo ein Gedenkstein an die Verbrennung zahlreicher Opfer erinnert. Ein Friedhof in einiger Entfernung am Standort des ehemaligen Gutes Trostenec erinnert an die Mordaktionen kurz vor der Befreiung im Juli 1944. Schließlich der Wald von Blagowschtschina, in dem bis zu 150.000 Juden aus Belarus, Österreich und Deutschland ermordet wurden. Offiziell dient ein Obelisk als Erinnerungsort, dessen Standort aber mit dem historischen Geschehen nicht in Zusammenhang steht und auch keinen Aufschluss über die Ereignisse gibt.

Auf der Konferenz stellte erstmals die zuständige Architektin, Anna Aksenova, ihre im Auftrag der Stadt Minsk erarbeiteten Entwürfe vor. Ihre Gestaltungsideen beziehen sich auf zwei der insgesamt drei historischen Orte (ausgenommen ist die Blagowtschina) auf ca. 65 ha. Die von ihr vorgestellten Pläne lassen eine konservative Anlage mit ausgewiesenen Wegen vermuten, die sich nicht erkennbar auf diesen Ort bezieht oder ihn gar problematisiert. Positiv anzumerken ist, dass, sollte der Entwurf tatsächlich realisiert werden, die Stadt Minsk sich erstmals überhaupt mit diesem für das historische Gedenken so wichtigen Ort beschäftigt. Pessimistisch stimmt die bisher bereit gestellte Summe vom a. 100.000 €, die die kosten bei weitem nicht decken kann. Gerüchte besagen, dass die schon seit langem und immer wieder diskutierten Überlegungen zu Trostenec gerade jetzt wieder auf die Tagesordnung kommen, weil ursprünglich ein Besuch des israelischen Staatspräsidenten angesagt gewesen war. Kurzerhand hatte man die Blagowtschina mit einem Erdwall zugeschüttet, um den Ort unbegehbar zu machen. Nachdem der Staatsbesuch dann gar nicht stattgefunden hatte, wurde beschlossen, die Planungen nun voranzutreiben. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, allein diese Gerüchteküche zeigt aber, wie schwer sich das Land noch immer mit dem Gedenken an überwiegend jüdische Opfer tut.

Es ist daher auch ein positives Signal, dass die Stadt Minsk offenbar einem Vorschlag von deutscher Seite zugestimmt hat, die Planung der Stadt durch einen zusätzlichen Entwurf des Architekten Leonid Lewin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden in Belarus, ergänzen zu lassen. Dahinter steht eine Initiative der IBB Dortmund, zusammen mit der österreichischen Bürgerinitiative der Aktivistin Waltraud Barton, speziell der jüdischen Opfer, die in der Blagowtschina ums Leben gekommen sind, zu gedenken. Über die Realisierung dieser Idee gibt es durchaus Differenzen zwischen der deutschen und österreichischen Seite. Immerhin konnte der österreichische Bundespräsident für ein Engagement seines Landes in Trostenec gewonnen werden, der deutsche Bundespräsident wurde um Unterstützung des Vorhabens gebeten.

Der Entwurf von Lewin ist sehr viel konkreter und unmittelbarer auf den ort bezogen als der der Stadt Minsk, er bleibt dem Stil dieses Architekten mit einer Verbildlichung der zu erinnernden Ereignisse treu und arbeitet mit stilisierten Waggons, umgestürzten jüdischen Symbolen und einer Gruppe von Koffern, die die Reise in den Tod symbolisieren sollen. Ob es zur Realisierung des Entwurfs kommen wird, hängt von vielen Faktoren ab, darunter der bisher völlig offenen Finanzierung und der Frage, ob es nicht doch einen internationalen Wettbewerb geben muss.

Sollten beide Entwürfe tatsächlich umgesetzt werden, so wäre zwar dieser historische Ort als sichtbarer Erinnerungsort markiert, würde aber die nach wie vor geteilte Erinnerung an „friedliche sowjetische Bürger“ und Juden offenbaren. Darüber hinaus ist bisher weder an ein Leitsystem in dem sehr weitläufigen  Gelände gedacht noch an Informationstafeln, die darüber aufklären würden, an was hier erinnert wird. Schließlich bleibt anzumerken, dass die Ereignisse in der Blagowtschina vor 1941, also die Nutzung des Ortes als Erschießungsstätte des NKWD, in den bisherigen Überlegungen überhaupt nicht vorkommt. Dies ist freilich ein sehr schwieriges Thema, insbesondere, wenne s von deutscher Seite angesprochen wird. Aus wissenschaftlicher Perspektive bzw. im Sinne der historischen Aufarbeitung darf darüber aber nicht hinweggegangen werden.

Fotos zu den einzelnen Gedenkorten finden sich hier.