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Die einzige evangelische Kirche in Belarus

Bisher bin ich noch gar nicht dazu gekommen, über einen weiteren Ausflug raus aus der Hauptstadt zu berichten, nämlich nach Westen an die polnische Grenze, nach Grodno. Anlass für diese Reise war die 100-Jahr-Feier der dortigen evangelischen Kirche (was übrigens auf russisch auch so heißt, wenn eine protestantische Gemeinde gemeint ist).

Die dortige Gemeinde mit ihrem jungen Pfarrer Wladimir Tatarnikow ist die einzige in Belarus, die über ein eigenes Gotteshaus verfügt. Die anderen, wenigen protestantischen Gruppen von Gläubigen, treffen sich in wechselnd angemieteten Räumen, wie z.B. in Minsk, wo im Winter kein Gottesdienst stattfinden, weil nicht geheizt werden kann. Die evangelische Kirche des Landes ist zersplittert in eine selbständige Lutherische Kirche, einige unabhängige Gemeinden und die lutherische Gemeinde in Grodno, die enge Beziehungen zur EKD unterhält.

Der vormalige deutsche Botschafter, Dr. Christof Weil, hatte sich persönlich für die Erhaltung der St. Johanniskirche eingesetzt, der jetzt finanzielle Mittel aus Deutschland von der EKD, dem Auswärtigen Amt, der Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Frohnau sowie privater Sponsoren zukommen. Neue Kirchenbänke kamen von einer Gemeinde in Hannover. Die Kirche war 1779 von deutschen Kaufleuten gegründet und 1912 neu gestaltet worden. Zwischen 1944 und 1994 befand sich dort ein Archiv. Erst 1995 erhielt die kleine Gemeinde das Gotteshaus zurück.

Bei der Feier am 10. Juni waren viele Deutsche, meist aus Minsk, aber auch viele Einwohner Grodnos, je ein Vertreter der orthodoxen und der katholischen Kirche sowie die Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Frohnau anwesend. Allein der Vertreter der streng gläubigen jüdischen Gemeinde war nicht anwesend. Nach einem Gottesdienst blieb es dem Nuntius des Papstes überlassen, das Ereignis auch politisch einzuordnen. Mit den Worten „Unsere Dimension ist die Ewigkeit“ verwies er alle Versuche politsicher Einmischung und Beeinträchtigung des religiösen Lebens in Belarus von sich.

Weitere Informationen: Belarus-Perspektiven 2/2012, S. 25. http://www.ibb-d.de/belarus_perspektiven.html und http://zetgrodno.com/lyuteranskaya-kirha-v-grodno

Evangelisch-Lutherische St.Johanniskirche, Evangelisch-Lutherische Gemeinde Grodno
Wladimir Tatarnikow, Gemeindepastor
Adresse: 230023 Grodno, Akademitscheskaia st.7 A. Belarus
www.luther.by, http://www.belaruslutheran.com

Евангелическо-Лютеранская Церковь св.Иоанна, Евангелическо-Лютеранская община Гродно
Владимир Татарников, пастор
Адрес: 230023 г. Гродно, ул. Академическая 7А. Беларусь
www.luther.by, http://www.belaruslutheran.com

Musical Jesus Christ Superstar in Belarus/Weißrussland verboten

Foto: http://en.ria.ru/world/20120301/171669636.html

Die Nachricht ist eigentlich schon veraltet, aber angesichts der anhaltenden Nachrichten zum Einfluss der Orthodoxen Kirche auf Kunst und Kultur in Russland, bleibt ein gewisser Nachgeschmack. Im Februar meldete BelPan (13.2.2012), dass das Musical Jesus Christ Supersrat in Belarus verboten wird.

Hintergrund war die Petition von 500 Gläubigen, die sich an die Regionalverwaltung gewandt hatten. Sie hatten insofern Erfolg, als der für Mogilev bereits von dem St. Petersburg Rock Opera Theater angesetzte Aufführungstermin wieder abgesagt und statt dessen die Aufführung der Rockoper „Orpheus und Euridike“ des russischen Komponisten Aleksandr Zhubrin ins Programm genommen wurde.

Mal ganz abgesehen von den finanziellen Verlusten des örtlichen Veranstalters ArtFest war dieser von der Intervention der Kirche überrascht, zumal bisher keine Einwände gegen das Musical überhaupt (das seit 41 Jahren gezeigt wird!) und auch nicht bei den Planungen für mehrere Veranstaltungen in Belarus (Gomel, Mogilyov, Brest and Minsk) erhoben worden waren. Erst jetzt bemängelten die Gläubigen in ihrem Brief, und mit ihnen die Kirche, dass Judas in dem Musical in einem zu positiven Licht dargestellt werde.

Ein Sprecher von ArtFest äußerte sogar Unverständnis darüber, dass in einem säkularen Staat und bei entsprechenden Gesetzen, die ein Verbot nur aufgrund von Gewalt, religiösem Hass oder Pornographie zulassen, die Kirche eine solche Entscheidung herbeiführen kann. Mit diesem Widerspruch sollen sich nun auch das Kulturministerium und das Nationale Komitee für Religiöse Angelegenheiten beschäftigen.

Ein vergleichbarer Einfluss der Kirche auf Staat, Politik und Gesellschaft wie in Russland, ist in Belarus nicht zu beobachten. Zwar ist der Präsident an Feiertagen und zu wichtigen Anlässen häufig in der Kirche zu sehen und auch über Konsultationen Lukaschenkos mit kirchlichen Würdenträgern wird immer wieder berichtet. Die Kirche erhält jedoch kein Geld vom Staat und ist auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich getrennt von Politik und Regierung.