Platz der Staatsflagge und neuer Palast der Unabhängigkeit in Minsk

Foto: http://realt.onliner.by/2013/04/22/flag

Minsk bekommt einen neuen “Platz der Staatsflagge” sowie ein „Zentrum der Unabhängigkeit“ (BelaPan 7.5.2013). Gerüchte gab es schon lange, aber keiner wusste wirklich, was für ein riesiges Gebäude am Prospekt des Sieges in unmittelbarer Nähe zur Halle der BelExpo entsteht. Nun wissen wir es endlich.

Der Präsident ließ es sich dann auch nicht nehmen, nochmal darauf hinzuweisen, dass die aktuelle Staatsflagge durch ein Referendum 1995 vom Volk bestätigt worden sei. Auch er habe zunächst in seiner ersten Amtszeit die weiß-rot-weiße Flagge am Auto getragen. Nun komme die aktuelle Flagge noch stärker zur Geltung, im Rahmen eines neuen Unabhängigkeitszentrums für staatliche Veranstaltungen, Empfänge und Regierungsgespräche. Alle sollen sehen, so Lukaschenko, dass Belarus ein souveräner Staat und von außen nicht zu beeinflussen sei – die übliche Rhetorik.

1995 wurde tatsächlich die nach dem Ende der UdSSR vorübergehend gültige weiß-rot-weiße Flagge mit dem „Pahonja“-Emblem, die auf die historischen Bezüge des Großfürstentums Litauen, aber auch die Belarussische Volksrepublik von 1918 zurückgreift, durch die aktuelle rot-grüne Flagge mit nationalem Muster ersetzt. Sie unterscheidet sich von der früheren sowjetischen Fahne (der Jahre 1956 bis 1991) nur durch das Fehlen von Hammer und Sichel. Das Wappen (auf der weiß-rot-weißen Flagge das Pahonja-Emblem, ein schwertschwingender Reiter auf einem Pferd) ist heute ein Ährenkranz mit den Umrissen der Republik Belarus in der Mitte und einem roten Stern am oberen Rand. 75% sprachen sich für die neuen Symbole aus, allerdings hatten nur 65 % der Bevölkerung an der Abstimmung teilgenommen. Ende der 90er Jahre legte Lukschenko fest, dass der „Tag der Staatsembleme und der Flagge“ am zweiten Maisonntag begangen werden soll.

Vgl. dazu das Handbuch der Geschichte Weißrusslands, 2002.

Abbildungen finden sich hier.

Nachtrag zum 9. Mai

Der 68. Jahrestag des Kriegsendes verlief nach dem, so möchte man sagen, üblichen Muster ohne besondere Vorkommnisse ab. Im Vorfeld strahlten die staatlichen Fernsehsender die bekannten Kriegsfilme sowie einschlägige Dokumentationen aus. Zu sehen war u.a. ein Beitrag über das Konzentrationslager für Kinder in Krasny Bereg, Kreis Shlobin, wo sich eine Gedenkstätte von Leonid lewin befindet. Zu hören war immer wieder der Vorwurf der Geschichtsfälschung, auch an die deutsche Adresse. ONT verwies z.B. auf eine Umfrage, nach der 45 % der befragten Deutschen im Alter zwischen 29 und 50 Jahren nicht wissen, was am 8. Mai 1945 passiert ist. Positiv hervorgehoben wurde das Engagement des Vereins „Kontakte – Kontakty“, der sich seit Jahren für die Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Krieg und das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen einsetzt. Eine Erwähnung des Deutsch-Russischen Museums, das vor kurzem eine neue Dauerausstellung eröffnet hat und von der Bundesregierung finanziert wird, gab es allerdings nicht. Bis in die belarussischen Medien hat es auch Kommissar Derrick geschafft – mit dem Hinweis, dass die Serie nicht mehr ausgetrahlt werden darf wegen der Mitgliedschaft des Schauspielers Horst Tappert in der SS. Problematisiert wurde die Frage der Mitgliedschaft und des persönlichen Schicksals dabei nicht.

Am Tag selber gab es zahlreiche Veranstaltungen, dieses Mal bei strahlendem Somemrwetter. Vormittags fand der traditionelle Marsch der Veteranen auf dem Prospekt Nesawissimosti vom Platz Oktjabrskaja bis zum Siegesplatz und die Kranzniederlegung am Siegesobelisken statt. Bemerkenswert war in diesem Jahr, dass der Präsident, außer von seinem Sohn Kolja, von dem ausw Belarus stammenden Astronauten Oleg Novickij begleitet wurde. Am Nachmittag gab es zahlreiche Volksfeste und Kulturprogramm, abends das große Feuerwerk. Außerdem wurden Teile der Innenstadt um die Karl-Marx-Straße zur Fußgängerzone erklärt, wo Schauspieler auftraten und andere Angebote gemacht wurden.

Was die Erinnerung an den Krieg berifft, betonte der Präsident nochmals deren Bedeutung für die heutige Generation. Sie sei viel wichtiger, als ihm persönlich ein Denkmal zu setzen, wovon er gar nichts halte, auch wenn er immer wieder und häufig dazu aufgefordert werde (mehrere Meldungen BelaPan 7.5.2013). Viel wichtiger sei das neue Museum des Großen Vaterländischen Krieges, das das „beste der Welt“ werde (und dessen Direktor er einen Tag zuvor entlassen hatte). Er habe dafür gesorgt, dass die Veteranen ihre Auszeichnungen tragen dürften, anders als die Nationalisten Anfang der 90er Jahre, dies dies hätten verhindern wollen.

Gleichzeitig wurden aber die Sonderzahlungen an die Veteranen zum Tag des Sieges ausgesetzt. Diese sollen erst im kommenden Jahr, zum 70. Jahrestag der Befreiung von Minsk, ausgezahlt werden. Böse, wer denkt, dass dann wieder einige Veteranen verstorben sind, so dass der Staat das Geld einsparen kann. Ein Kriegsveteran erhält zur Zeit Zuschläge zu seiner Rente abhängig von seinen Auszeichnungen oder seinem Verwundungsgrad. Im Durchschnitt sind das zwischen 2.940.000 und 3.380.000 Rubel (= $ 339 und $ 390).

Aktuell leben noch 25.300 Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges in Belarus, im letzten Jahr waren es noch 30.500. 31.600 Überlebende von nationalsozialistischen Lagern, Ghettos und Gefängnissen gibt es noch im Lande. Diese und weitere Opfergruppen erhalten kostenlosen Gesundheitsversorgung, freie Fahrt im Nahverkehr und verschiedene andere Vergünstigungen.

Direktor des Museums Großer Vaterländischer Krieg entlassen

Sergej Azaronok und ich im letzten Jahr, als er mir stolz eine aus Moskau geschenkte Fahne (Moulage) vorführte.

Laut einer Meldung vom 10. Mai ist der Direktor des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Sergej Azaronok, am Vortag des 8. Mai entlassen worden (BelaPan). Ein Mitarbeiter des Museums berichtet, dass Azarokok dies seinen Mitarbeitern mitgeteilt habe. Eine weitere Bestätigung gibt es noch nicht.

Als Gründe werden Verzögerungen beim Neubau und der Räumung des alten Gebäudes vermutet, was nicht verwundert. An beidem hat Azaronok nur bedingt seinen Anteil. Der Neubau wird immer wieder von baulicher Seite verzögert, so dass an einen Einzug mit Museumsobjekten gar nicht zu denken ist. Das alte Gebäude am Oktoberplatz wiederum konnte bisher nicht geräumt werden, da dem Museums das immer wieder versprochene Zwischenlager niemals zur Verfügung gestellt wurde.

Laut ursprünglichem Plan sollte der Neubau im Mai diesen Jahres fertig sein, die Eröffnung des Museums ist für den 3.7. 2014 geplant. Bereits zum 9. Mai in diesem Jahr sollten allerdings ein bis zwei Säle fertig fertig sein, was angesichts des Baufortschritts schlicht nicht realistisch war. Am alten Platz des Museums soll ein multifunktionales Gebäude, darunter eines der vielen neuen 5-Sterne-Hotels für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014.

Die Objekte sollten schon im letzten Jahr aus dem Gebäude zwichengelagert werden. Abgesehen von der Tatsache, dass immer unklar war, wohin, hat die interne Organisation des Umzugs und der Neukonzeption einen reibungslosen Ablauf allerdings auch nicht begünstigt. Hinzu kommt, dass Azaronok während der Planungsprozesse langjährige und kompetente Mitarbeiter sowie einen weiteren, für die Organistion und Planung zuständigen Manager entlassen hat. Dies waren aus meiner Sicht nur zwei Fehlentscheidungen unter mehreren, kombiniert mit einer, wie es schien, ständigen Überforderung mit dem Projektmanagement.

Trotzdem ist diese Entscheidung sehr zu bedauern, nicht nur für Azaronok persönlich, der sich trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen mit ganzer Kraft für das Museum eingesetzt hat, sondern auch weil es schwer sein wird, ein Jahr vor der Eröffnung und unter diesem Druck einen neuen und vor allem fähigen Direktor zu finden, der es schafft, das Museum, von dem der Präsident jüngst noch verkündet hat, es werde das „beste in der Welt“ sein, rechtzeitig zu eröffnen. Zudem haben einige Mitarbeiter des Museums angekündigt, das Museum zusammnen mit dem Direktor zu verlassen.

Museumsgespräche

Leider schon vorbei, aber hoffentlich auch in Zukunft im Angebot, sind die „Samstagsgespräche“ im Nationalen Kunstmuseum. In der Zeit von März bis Anfang Mai gab es jeden Samstag eine 10minütige Einführung in genau ein Gemälde bzw. Kunstwerk in einem jeweils anderen Raum. Das Angebot ist insofern bemerkenswert, als es sich als eines der wenigen an individuelle Besucher richtet und zudem eine neue Zielgruppe der „Highlight-Besucher“ anspricht. Mehr dazu auf der Website des Museums.

Neue Museumswebsites

Screenshot: http://www.modernartmuseum.by/ru/galounaya.html

In neuem Design präsentiert sich das Azgur-Museum. Die neue Website informiert über die Geschichte des Hauses, die Sammlung und das reichhaltige Veranstaltunsgprogramm des Museums. Die englische Variante ist noch nicht aktiv, offenbar aber in Planung.

Ebenfalls eine aktualisierte, wenn mich nicht alles täuscht, überhaupt die erste eigene Website bietet das Museum für zeitgenössische Kunst. Das Angebot besteht in russischer, belarussischer und englischer Sprache. Das wurde aber auch Zeit!

 

Lange Nacht der Museen in Minsk

In der Nacht vom 18. auf den 19. Mai ist es mal wieder soweit: Die Minsker Museen öffnen ihre Tore. Das Programm wird von Jahr zu Jahr unfangreicher und auch immer mehr Museen beteiligen sich daran. Das wohl umfangreichste Programm bietet das Nationale Kunstmuseum, gefolgt vom Nationalen Historischen Museum. Schon traditionell ein Anziehungspunkt in dieser Nacht sind die Literaturmuseen. Für Kinder gibt es dieses Mal in der Langen Nacht in einigen Museen ein eigenes Programm.

Ein Denkmal für den Ersten Weltkrieg in Belarus

Foto: http://ais.by/story/891

Schon seit vielen Jahren planen der Bildhauer Vladimir Slobodchikov und der Kulturwissenschaftler Igor Morozov ein Denkmal zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Belarus. Es soll an einem der ehemaligen Kriegsschauplätze auf einer Anhöhe am „Kreuzungspunkt der Meridiane“ von weit her zu sehen sein, eine kugelförmige, begehbare Skulptur von 9m Durchmesser. Die Meridiane von Ost nach West und Nord nach Süd weisen auf Belarus als ein Zentrum heftiger Kämpfe in diesem Krieg hin. Die Kugel zeigt bei nährerer Betrachtung Reliefs deutscher und russischer Soldaten, von Gasangriffen und den Leiden der Zivilbevölkerung. Im Innern der Kugel soll die Skulptur einer Mutter mit ihrem Neugeborenen die Hoffnung auf den Frieden und Neuanfang darstellen.

Mit diesem, im Detail vielleicht überladenen, aber durchdachten Konzept ist dieser Denkmalsentwurf eine Ausnahme in der Skulpturenlandschaft von Belarus. So verwundert es auch nicht, dass der Entwurf kaum bekannt ist und wohl kaum Chancen auf Realisierung hat. Das wiederum hängt auch mit dem Thema des Ersten Weltkrieges zusammen. Einerseits ist er in den letzten Jahren wieder stärker in die offizielle und gesellschaftliche Erinnerung zurückgekehrt, insbesondere durch die Einweihung einer Kapelle auf einem Massengrab in Minsk. Von dem Historiker Anatolij Scharkow und Vjacheslav Selemenev stammt eine Broschüre mit dem Verzeichnis aller Soldatengräberanlagen zum Ersten Weltkrieg in Belarus, Vjacheslav Bondarenko stammt ein populärwissenschaftliches Werk zum Ersten Weltkrieg in Belarus und in privaten Händen findet sich eine eindrucksvolle Sammlung von Briefmarken und Postkarten zum Thema. Dennoch ist der Erste Weltkrieg, anders als der Große Vaterländische Krieg, nur durch wenige Denkmäler, Ausstellungen oder wissenschaftliche Bearbeitungen in der Öffentlichkeit wahrnehmbar.

Minsker Geschichten

Interessante Details und Geschichten rund um die Stand Minsk sammelt Michael Volodin in seinem Blog. Volodin, auch bekannt als belarussischer Barde, hat sich mit diesem Projekt von der Musik auf die Architekturgeschichte verlegt. In dem Blog finden sich viele witzige, unerwartete und überraschende Informationen zu einzelnen Gebäuden, Straßen, Plätzen und Personen in Minsk – ein durchaus anregender Stadtführer.